THE CENTER FOR ENDLESS PROGRESS

 



 

 



 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Marta Jecu, 2010.

 

Matias Machados Arbeiten sehe ich als Ruinen. Aber es sind nicht die lyrischen Ruinen der Romantik, die die Nostalgie nach dem „Ganzen“, in einer kaputten Materie verkörpern, sondern Ruinen der Gegenwart oder sogar der Zukunft, die in ihrer präzis geschnittenen transparenten Struktur, die Funktion haben, zu messen – nicht was war, aber was hätte sein können. Die Materie in diesen Werken ist wie gesäubert von allen organischen, gelebten Überbleibsel, abgelöst von dem ansonsten natürlich einsetzenden Verfall, und ist in einem Stillstand aufgefangen, inhaltslos, von Dauer, nahe zu ihrem Tod. Etwas Unfassbares kommt mit diesen Architekturen der Absenz, die eher ein Modell von sich selbst repräsentieren, als sich selbst. So zumindest scheinen diese Objekte von Matias Machado: wie Spuren von Prozessen, die keinen funktionalen Grund aufzeigen und die sich ziellos weiter reproduzieren. Sie sind wie tautologische Übersetzungen von Raum in Raum, von Innerlichkeit in Äusserlichkeit, wobei die beiden am Ende ihre Spezifizität total aufgeben: gezeichnete Linien sind die letzten Spuren, die ephemer aus der Substanz eines von irgendwo gebrachten Raum, noch bleiben.

 

In dieser Weise transportiert er den Raum seines Atelier in der Öffentlichkeit (und wir können ihn auf dem Boden bidimensional geklebt, entlang seiner genau berechneten Ausmaßen im Freiraum ablesen), misst er mit mathematischer Regelmässigkeit die Zeit die sich in einem Raum abgespielt hat (wie in einer a-subjektiven Beobachtung ihrer Variationen), registriert er eine (seine) persönliche Geschichte, die unter Form von Fakten aufgehalten werden kann (der Raum wird bedeckt von dokumentarischen Notizen, und wird ein Dokumentraum, also wird zu einer Archive) oder registriert er die zeitliche Wiederholung einer Geste in einem Raum (jedes Mal wenn er seine Wohnung betritt – wie eine Mikromodifikation, die der Raum erfährt).

 

Diese eingeschachtelte Verwandelung von Etwas in Etwas Anderem ist mit Sicherheit auch eine Frage nach Medium. Raum, Zeit können nicht nur Gegenstand seiner transformatorischen Experimente mit Fotographie, Zeichnung, architektonischer Struktur sein, sondern auch das Medium durch welches Objekte plötzlich als etwas anderem interpretiert werden können (durch eine räumliche Dislozierung hat eine Wohnung ihre Bedeutung als Wohnung verloren und verkörpert andere Referenzen).

 

Seine Werke können als Ruinen angesehen werden, nicht nur auf formeller Ebene, sondern vor allem wenn man denkt dass eine Ruine eine räumliche Organisationsform ist, die organisch verbunden mit anderen Räumen ist, deren Konnotationen sie trägt und deren Quintessenz sie bedeutet. Eine Ruine ist ein Raum der in sich verschiedene und mehrfache Raumformen trägt: nicht unbedingt vergangene, sich überlappende Formen einer selben Konstruktion, sondern auch verschiedene Konfigurationen/Varianten der Kontamination mit den umgebenden Räumen, verschiedene Querverbindungen mit Räumen, mit denen es unter verschiedenen Umständen, verbunden gewesen ist. Auf zeitlicher Ebene evozieren die Ruinen überlappende Momente oder sich folgende temporäre Zyklen.

 

Zugleich repräsentieren die Ruinen nicht nur die Vergangenheit, sondern durch ihre Form im Präsens, auch die Zukunft. Durch progressives Löschen ihrer Form, schaffen die Ruinen von Matias Machado Raum für neue förmliche Konfigurationen und gehören somit auch der Zukunft an. Eine Ruine ist auch eine besondere architektonische Form – eine die aus ihrer Stabilität heraus, in Bewegung geraten ist (so wie sich Matias Machados Räume irgendwoanders als wo sie sind, bewegen).

 

Matias Machado unternimmt eine Investigation der Fundamente der Materie und unserer Erfahrung. Es geht also um eine Hinterfragung der kulturellen Signifikationschichten, die sich unter der Alltäglichkeit unserer Erfahrung verstecken: geschichtliche Ruinen, kulturellen Reminiszenzen, die eine virtuelle Präsenz in jedes Fragment des Präsens bringen. Diese vergrabene Geschichte des Objektes, welche in ihrer Materialität von eine Form in eine andere wandert, dokumentieren nicht Ursprünge der Architektur, sondern Endformen der Materie. Matias Machdos Werke, minimal und konzeptuell, können auch als malerische Landschaften der Absenz und ihrer versteckten Potentialitäten verstanden werden.

 

Seine Werke zeigen auch einen Zustand von Latenz (etwas was da ist, sich aber nicht zeigt, oder sich „fast“ zeigt) und Simulation (...von Funktionalität seiner Systeme). Die Erinnerungen, die diese Werke hervorrufen, durch Latenz und Simulation, losgelöst vom Objekt, gehören schon einer kollektiven Erfahrung, da sie kaum noch persönliche narrative Elemente des Künstlers tragen.

 

Es gibt in seinen Arbeiten auch eine politische Dimension, die die Macht der kulturellen Konstruktionen in Verbindung mit Individualität behandelt. Seine Arbeiten zeigen „in abstracto“ die Möglichkeit ein ganzes System umzuschalten, zu regenerieren (der öffentliche Raum, in dem sein Atelier transferiert wurde, bleibt nicht mehr gleich, wird erneuert). Diese Prozesse werden am deutlichsten in seinem jetzigen Projekt „Renovierung“ konkret vermittelt. Matias Machado unternimmt eine regelrechte Restauration des Galerieraumes und bewohnt zugleich (eine neue Form von Überlappung privat-öffentlich) diesen Raum. Die konstruktive-dekonstruktive Kraft seiner Arbeiten wirkt als aktive Regeneration des gesamten Systems in dem es platziert wird (in dem institutionellen Raum, welcher eine Galerie bedeutet), den es aufneuert – auch wenn die Beziehung mit ihm kontradiktorisch ist (wer zeigt wen? Die Galerie den Künstler oder der Künstler die Galerie?). Eine etablierte Hierarchie wird umgekippt, die eine Redistribution von Wert im Raum provoziert. Die dislozierten Strukturen bleiben offen und setzen frei die Möglichkeit einer anderen historischen Abfolge, die sich nicht linear, durch die Werte der Vergangenheit rechtfertigen soll, um zu der Zukunft zu avancieren. Damit wird von Matias Machado die architektonische Form von ihren ikonographischen Symbolen getrennt. Die Form wird von bildlichen Inhalten und somit von konkreten Ereignissen aus einer Vergangenheit der Konstruktion oder von politischen und kulturellen Vorkodierungen losgelöst (durch Freilegung und Saubermachung des Raumes). Diese herkömmlichen Werte werden somit nicht mehr implizit evoziert und der Raum kann polysemantisch ab jetzt funktionieren. Zugleich aber ist diese letzendlich urbane Aktion und Installation auch eine Aussage gegen die Kommodifizierung von gemeinschaftlichen Raum und die konkrete Kommodifizierung von den Funktionen und Benutzungsstrategien von gebauten Räumen und formuliert eine Antwort gegen die kulturelle oder politische Manipulierung von Gedächtnis, die nicht nur ein Mittel der Wertfestlegung ist, sondern auch eine Machtaussage.

 

Eine umkehrte Verbindung mit Gedächtnis wird in „Renovierung“ aufgebaut: der öffentliche Raum der Galerie bringt zum Vorschein, externalisiert die Erinnerung einer Geschichte – die einmonatige Lebensgeschichte des Künstlers, die sich in diesem Raum abspielt (wie ein Palimpsest), dabei aber – umkippt und annulliert – verliert sie ihre eigene.